Knapp erklärt: Was sind homöopathische Arzneimittel?
Sie werden als "Zuckerkügelchen" bezeichnet, gelten wahlweise als sanfte Alternative zur Schulmedizin oder als gefährliche Scharlatanerie: Homöopathische Arzneimittel sind immer mal wieder in den Medien präsent. Aber was genau ist das eigentlich? Und warum polarisieren die Arzneimittel so sehr?
In Bezug auf homöopathische Arzneimittel ist erschreckend viel Halbwissen verbreitet. Was sich als homöopathische Arzneimittel bezeichnen darf, ist in § 4 Abs. 26 des Arzneimittelgesetzes festgeschrieben. Homöopathische Arzneimittel müssen zugelassen werden, der entsprechende Antrag wird gemäß § 21 ff. AMG beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gestellt. Alternativ kann ein Antrag auf Registrierung gemäß § 38 f. AMG an gleicher Stelle eingereicht werden. Es herrscht also keineswegs Wildwuchs auf dem Markt der homöopathischen, rezeptfrei in Apotheken erhältlichen Arzneimittel. Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit werden nach festgelegten Kriterien überprüft, die ebenfalls im Arzneimittelgesetz (§ 22, § 38 und § 39, § 63) nachgelesen werden können. Eine öffentliche Liste aller zugelassenen und registrierten homöopathischen Arzneimittel gibt es allerdings nicht. Wer sich nach einem bestimmten Arzneimittel erkundigen will, ist auf die Rechercheoptionen von Pharmnet.Bund angewiesen.
Homöopathische Arzneimittel sind also keine Spielerei, und es handelt sich auch nicht um harmlose "Zuckerkügelchen", sondern um eine Alternative zu schulmedizinischen Angeboten. Trotzdem sind homöopathische Arzneimittel in ihrer Wirksamkeit umstritten. Warum das so ist, hängt mit der Herstellung der Arzneimittel, den Wirkstoffdosierungen und der Geschichte der Homöopathie zusammen.
Auf einen Blick: Das Wichtigste über homöopathische Arzneimittel
– Als homöopathische Arzneimittel werden Arzneimittel bezeichnet, die nach definierten homöopathischen Zubereitungsverfahren produziert werden.
– Die Arzneimittel können jeweils einen oder mehrere Wirkstoffe nach der Definition homöopathischer Wirkstoffe enthalten. Diese Definition unterscheidet sich vom chemischen Stoffbegriff und vom medizinischen Wirkstoffbegriff.
– Die größten Märkte für Homöopathika (andere Bezeichnung für homöopathische Arzneimittel) bestehen in Frankreich, den USA, Deutschland und Indien. 2013 lag der Anteil homöopathischer Arzneimittel (gemessen am Umsatz in Apotheken) in Deutschland bei 1,3 Prozent. Neuere Zahlen liegen zum Zeitpunkt der Texterstellung (April 2023) nicht vor.
– Übliche Darreichungsformen sind Dilutionen, Tabletten, Globuli (die als "Zuckerkügelchen" verunglimpft werden), Verreibungen, Ampullen, Salben und Urtinkturen. Letztere sind unpotenziert.
– Sind zwei oder mehr Wirkstoffe im Arzneimittel enthalten, spricht man von einem Komplexmittel.
– Ist ein homöopathisches Arzneimittel zugelassen, wurde für die Zulassung ein Nachweis der Wirksamkeit erbracht. Diese Arzneimittel sind mit einer klaren Indikation gekennzeichnet. Sind homöopathische Arzneimittel "nur" registriert, enthalten sie weder im Namen, noch in der Kennzeichnung oder in der Gebrauchsinformation eine Indikation. Ein Nachweis der Wirksamkeit muss in diesem Fall nicht erbracht werden, weil keine Indikation vorliegt. Eine Unbedenklichkeitsprüfung findet trotzdem statt.
– Ab einer Potenz von D4 unterliegen auch homöopathische Arzneimittel in Deutschland der Verschreibungspflicht.
Was sind homöopathische Arzneimittel?
Als Homöopathische Arzneimittel von der Firma Homviora werden Mittel bezeichnet, die nach dem homöopathischen Grundprinzip "Gleiches mit Gleichem behandeln" wirken. Sie sind nach festgelegten Verfahren hergestellt. Als Wirkstoffe werden Mineralien, Pflanzen- und Tierprodukte eingesetzt. Diese sind allerdings sehr stark verdünnt, man spricht hier von den Potenzen. Das Prinzip der Homöopathie geht auf den deutschen Arzt Samuel Hahnemann zurück, der diese Ende des 18. Jahrhunderts etablierte.
Hahnemann hatte die Idee, dass Ähnliches Ähnliches heilen sollte. Der Auslöser einer Krankheit könnte nach Hahnemann mit Mitteln kuriert werden, die die gleichen Symptome erzeugen wie die, die der Patient oder die Patientin gerade zeigen. Bis heute ist diese Theorie Hahnemanns allerdings nicht wissenschaftlich belegt. In den mehr als 200 bis heute durchgeführten Studien zur Homöopathie konnte man die Wirksamkeit allerdings auch nicht zweifelsfrei widerlegen.
Die Bezeichnung "Homöopathie" setzt sich zusammen aus den griechischen Wörtern homoion (ähnlich) und pathos (Leiden). Die Homöopathie gilt heute als eigenständige Therapieform innerhalb der Alternativmedizin. Etwa 2.500 homöopathische Arzneimittel sind heute bekannt. Die meisten davon werden Mineralien, Pflanzen und Tieren beziehungsweise Tierprodukten hergestellt. Allerdings kommen unter der Bezeichnung "Nosoden" bisweilen auch körpereigene Substanzen wie Blut oder Eiter zum Einsatz. Seltener werden Krankheitserreger wie beispielsweise Viren verwendet.
Wie genau wirken homöopathische Arzneimittel?
Die homöopathischen Wirkstoffe lösen bei gesunden Menschen grundsätzlich Symptome aus. Nach Hahnemanns Lehre dienen die Mittel als Heilmittel bei Erkrankungen, die genau diese Symptome als Beschwerdebild zeigen. Allerdings werden die jeweiligen Wirkstoffe sehr stark verdünnt. Zur Herstellung der homöopathischen Arzneimittel werden die jeweiligen Substanzen in der Regel gemahlen und mit weiteren Stoffen verdünnt. Abhängig von dem Stoff, der für die Verdünnung verwendet wird, liegt das Arzneimittel am Ende in flüssiger Form (Tinktur, Tropfen, Serum), als Salbe oder in fester Form (Globuli, Tabletten) vor. Mögliche Mittel zur Verdünnung sind:
- Wasser
- Alkohol
- Milchzucker
- Glycerin
Die Verdünnung ist deshalb so wichtig, weil die verschiedenen homöopathischen Wirkstoffe in ihrer reinen Form eine zu starke Reaktion auslösen würde. Hahnemann entwickelte selbst verschiedene Verdünnungs- und Schüttelmethoden, um de jeweiligen Potenzen zu erreichen.
Wichtig zu wissen: Keiner der homöopathischen Wirkstoffe löst nur ein einziges Symptom aus. Keine Krankheit zeigt nur ein einziges Symptom. Deshalb gibt es bei homöopathischen Arzneimitteln in der Regel nicht nur eine Indikation, sondern zahlreiche, die sich nicht nach der Krankheit oder Infektion richten, sondern nach der Art der Symptome. Da Menschen in der Regel bei der gleichen Erkrankung ganz unterschiedliche Symptome zeigen, werden sie folglich nach homöopathischer Lehre auch mit unterschiedlichen Arzneimitteln behandelt.
In der homöopathischen Lehre geht man davon aus, dass die Heilungsreaktion tiefer und länger anhaltend ausfällt, je höher die Potenz ist. Deshalb gelten höhere Potenzen als stärkere Arzneimittel, obwohl sie weniger vom Wirkstoff enthalten als die niedrigeren Potenzen. Ausschlaggebend ist nach Meinung von Homöopathen aber weniger der Wirkstoff mit den von ihm ausgelösten Symptomen als vielmehr die durch die Arzneien stattfindende Stimulierung der Selbstheilungskräfte.
Sogenannte Potenzen zeigen die "Wirkstoffdosierung" an
Hahnemann verdünnte die von ihm gefundenen Wirkstoffe sehr stark, weil sie ansonsten zu heftige Reaktionen auslösten. Dazu entwickelte der das sogenannte Potenzieren und Dynamisieren der Wirkstoffe. Die Wirkstoffe wurden nach von ihm festgelegten Rüttel- und Schüttelmethoden mit den oben genannten Mitteln verdünnt. Die Potenz zeigt an, wie häufig verdünnt und geschüttelt/gerüttelt wurde.
Zehnerpotenzen werden mit D angegeben, Hunderterpotenzen mit C. Da "D" steht für "Dezimalpotenz", das "C" für "Cent", also 100. Eine D-Potenz wird also grundsätzlich aus 1 Teil Urtinktur und 9 Teilen Lösungsmittel (insgesamt 10 Teile) hergestellt. Bei C-Potenzen sind es 1 Teil Urtinktur und 99 Teile Lösungsmittel. Seltener findet man LM- oder Q-Potenzen, die aus 1 Teil Urtinktur und 49.999 Teilen Lösungsmittel hergestellt sind. Wichtig ist nach Hahnemann, dass Urtinktur und Lösungsmittel nicht nur miteinander gemischt werden, sondern auch mit einer festgelegten Anzahl an Schlägen verschüttelt/gerüttelt werden.
Ein homöpathisches Arzneimittel der Potenz D30 wurde hergestellt, indem der Wirkstoff insgesamt dreißigmal um das Zehnfache verdünnt und bei jedem Schritt in der von Hahnemann angegebenen Anzahl von Schlägen verschüttelt wurde. Bei einem Arzneimittel der Potenz C200 dagegen wurde der Wirkstoff insgesamt 200 Mal um das Hundertfache verdünnt und anschließend verschüttelt.
Wenn man nun von einer als extrem stark und sehr wirksam geltenden LM-Potenz ausgeht, die in Form von Globuli vorliegt, muss man akzeptieren, dass rein rechnerisch unter Umständen kein einziges Molekül des Wirkstoffs mehr enthalten ist. Hahnemann glaubte, dass nicht das Verdünnen selbst die Wirksamkeit der verschiedenen Arzneimittel verstärkte, sondern dass das Verschütteln oder Rütteln nach seiner Methode die Arzneien erst wirksam machte. Genau hier liegt das Problem der wissenschaftlichen Nachweisbarkeit einer Wirkung von homöopathischen Arzneimitteln: Wenn kein Wirkstoff mehr messbar ist aufgrund der starken Verdünnung, also nach wissenschaftlichen Methoden kein Wirkstoff vorhanden ist, was soll da wirken können? Da Menschen aber Reaktionen und Symptome zeigen, gerade bei sehr hohen Potenzen, muss irgendetwas Wirksames vorhanden sein. Es fällt also auch schwer, Hahnemanns Methoden nach wissenschaftlichen Methoden zweifelsfrei zu widerlegen. Es ist nicht klar, warum Hahnemann derart starke Verdünnungen anwandte.
Und auch in der Verwendung von Behältern beim Verschütteln gibt es Unterschiede. In den Bundesländern sind nach HAB nur Mittel erlaubt, die mit der Mehrglasmethode hergestellt wurden. Das bedeutet: Für jeden einzelnen Potenzierungsschritt muss ein ungebrauchtes, neues Glas verwendet werden. In anderen Ländern kann nach der Einglas- oder Korsakoff-Methode auch jeder Potenzierungsschritt im selben Glas durchgeführt werden.
Die meisten Krankenkassen zahlen nicht für homöopathische Arzneimittel
Bachblüten, Globuli und Schüßler-Salze müssen von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen werden. Jede Kasse kann selbst entscheiden, ob und in welchem Umfang die Kosten übernommen werden. Deshalb werden oft gesonderte vertragliche Tarife angeboten, die die Übernahme von homöopathischen Therapien und Arzneimitteln dann gegebenenfalls abdecken. Diese Kassen übernehmen die Kosten bei einer solchen separaten Vereinbarung ganz oder teilweise:
- AOK Baden-Württemberg
- AOK Bremen/Bremerhaven (nur Therapie, maximal 80 Prozent der Kosten)
- AOK Hessen (maximal 240 Euro im Jahr)
- AOK Niedersachsen (maximal 80 Prozent bis maximal 500 Euro im Jahr)
- AOK PLUS
- AOK Rheinland-Pfalz/Saarland (maximal 80 Prozent der Kosten bis 75 Euro bei Therapie, bis 25 Euro bei Medikamenten)
- AOK Sachsen-Anhalt (Medikamente bis maximal 40 Euro im Jahr)
- Audi BKK
- Bahn-BKK
- Barmer
- Bergische Krankenkasse
- BKK Diakonie (nur Medikamente)
- BKK EUREGIO
- BKK Freudenberg
- BKK Gildemeister Seidensticker
- BKK Herkules
- BKK Linde (nur Therapie)
- BKK Melitta HMR (nur Medikamente)
- BKK PFAFF
- BKK Pfalz (nur Therapie)
- BKK Technoform (nur Therapie)
- Continentale Betriebskrankenkasse
- DAK-Gesundheit (nur Medikamente bis maximal 100 Euro im Jahr)
- Heimat Krankenkasse
- HEK
- IKK Südwest
- Knappschaft
Es würde den Rahmen sprengen, hier alle Kassen einzeln aufzuführen. Betroffene sollten im Einzelfall bei ihrer Krankenkasse erfragen, ob und in welchem Umfang die Leistungen übernommen werden.
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