Fluggastrechte in Deutschland – Das sollten Passagiere unbedingt wissen
Wer einen Flug bucht, der bricht entweder in den Urlaub auf oder befindet sich auf einer Dienstreise. Aber was, wenn etwas schiefgeht? Was, wenn eine Verspätung oder gar ein Flugausfall zu Chaos führen, Anschlussflüge verpasst werden oder Passagiere sogar an einem Flughafen festsitzen?
Für genau diesen Fall gibt es für Flugreisende seit dem Jahr 2004 die EU-Fluggastrechteverordnung, die Fluggästen zahlreiche Rechte einräumt und die Airlines in die Pflicht nimmt. Wir verraten, welche Passagiere Rechte haben, wann diese gelten und was Fluggäste tun können, wenn sich eine Airline querstellt.
Auf einen Blick: Das Wichtigste zu den EU-Fluggastrechten
- Ziel der EU-Fluggastreche ist die Definition von Regeln und Entschädigungsleistungen bei durch Airlines verschuldeten Flugproblemen.
- Anwendung findet die EU-VO 261/2004 bei Starts und Landungen innerhalb der EU bzw. bei Flügen, die von einer EU-Airline durchgeführt werden.
- Bei Flügen außerhalb der EU ohne Beteiligung einer EU-Airline gelten die EU-Fluggastrechte nicht.
- Die Entschädigungsleistung bei einem Flugproblem liegt fallabhängig zwischen 250 Euro und 600 Euro.
- In vielen Fällen haben Fluggäste einen Anspruch auf einen Ticketkostenersatz oder alternativ eine Ersatzbeförderung mit einem alternativen Verkehrsmittel.
- Bereits ab einer Verspätung von 2 Stunden besteht gegenüber der Airline ein Anspruch auf Versorgungsleistungen.
- Wichtig: Ihre Rechte können Sie auch rückwirkend in Anspruch nehmen. Die Verjährungsfrist beläuft sich auf drei Jahre ausgehend vom Abflugdatum.
Wo gelten die EU-Fluggastrechte?
Bevor wir uns im Detail mit den Fluggastrechten beschäftigen, sollten wir uns anschauen, wo diese überhaupt gelten und was sie bedeuten. Die Basis für die Fluggastrechte in Deutschland ist die europäische Fluggastrechteverordnung (VO (EG) Nr. 261/2004) sowie das Montrealer Abkommen. Wie der Name es bereits andeutet, gelten die Fluggastrechte damit nicht nur in Deutschland, sondern innerhalb der ganzen Europäischen Union. Grundsätzlich kann der Geltungsbereich wie folgt zusammengefasst werden:
– Sie gelten für alle Flüge innerhalb der Europäischen Union. Ganz egal, ob ein Flug von einer Airline aus der EU stammt oder von einer Luftfahrtgesellschaft, die in einem Nicht-EU-Land ansässig ist.
– Die EU-Fluggastrechte gelten auch für Flüge, die von einer Fluggesellschaft aus der EU, die in einem Nicht-EU-Land starten und in einem EU-Land enden.
– Gültigkeit haben die Fluggastrechte auch bei Flügen aus der EU in einen Nicht-EU-Staat. Ob dieser von einer in oder außerhalb der EU- ansässigen Airline durchgeführt wird, ist dabei unerheblich.
– Der Geltungsbereich umfasst neben den 27 EU-Staaten auch die zugehörigen Inseln und Überseegebiete. Dazu zählen Madeira, die Kanaren, die Azoren, Saint Martin, Mayotte, Reunion, Martinique, Französisch-Guayana und Guadeloupe. Ebenfalls dazu gehören Flüge die in Norwegen, der Schweiz und Island starten oder landen.
Achtung: Dann gelten die EU-Fluggastrechte nicht
Auch wenn der Geltungsbereich der Fluggastreche groß ist und sicher einen Großteil aller Fälle abdeckt, mit denen es Fluggäste es zu tun bekommen: Sie gelten nicht immer und überall – selbst nicht unter allen Umständen innerhalb der EU! Das ist etwa dann der Fall, wenn Fluggäste zu einem reduzierten Tarif oder sogar kostenfrei mit dem Flugzeug reisen, sofern dieser Tarif nicht für die Öffentlichkeit verfügbar ist.
Ebenfalls entfallen die Fluggastrechte, wenn ein Eigenverschulden Ihrerseits vorliegt. Darunter fällt auch eigenverschuldetes Zuspätkommen am Check-In-Schalter oder bei der Sicherheitskontrolle bzw. der Abfertigung. Ganz allgemein entfallen die EU-Fluggastrechte auch bei allen Flügen, die außerhalb der EU-Starten und von einer nicht innerhalb der Europäischen Union ansässigen Fluglinie durchgeführt werden.
Diese Fluggastrechte stehen Ihnen zu
Fliegen ist eine hochkomplexe Angelegenheit. Gerade beim Reiseverkehr über mehrere Grenzen, Zwischenlandungen und Co. ist viel Koordination erforderlich. Dementsprechend viel kann in diesem System schieflaufen. Daher haben Passagiere für nahezu jedes Szenario innerhalb des zuvor definierten Geltungsraums angefangen von der Flugverspätung über die Nichtbeförderung bei Überbuchung bis hin zum Flugausfall genau definierte Rechte.
Fall 1: Hilfe, mein Flug hat Verspätung!
Verspätungen sind ärgerlich. Immerhin hängen häufig andere Reisekomponenten wie ein Anschlussflug, der Hoteltransfer oder ein Check-In-Fenster an der pünktlichen Landung. Landes eine Maschine mehr als drei Stunden nach dem Zeitplan an der Zieldestination kannst du eine Entschädigung beantragen. Jedenfalls dann, wenn die Fluggesellschaft selbst die Verantwortung die Verspätung trägt.
Abhängig von der Länge der Verspätung bewegt sich die mögliche Entschädigungsleistung zwischen 250 Euro und 600 Euro. Ab einer Verspätung von 5 Stunden, können Reisende sogar komplett von der Reise zurücktreten und einen Ticketkostenersatz einfordern.
Darüber hinaus muss sich die Airline um deine Verpflegung kümmern und dir die Kommunikation nach außen via E-Mail oder Telefon ermöglichen. Zwei kostenfreie Telefonate sind das Minimum. Ebenfalls wichtig: Verspätet sich der Start auf den nächsten Tag, muss die Airline auch deine Übernachtungskosten bis zur Weiterreise tragen.
Fall 2: Was, wenn mein Flug gestrichen wurde?
Wenn ein Flug durch das Verschulden der Airline gestrichen wurde, ist die Regelung relativ simpel. Fluggäste können sich den Flugpreis komplett erstatten lassen. Alternativ besteh die Möglichkeit, den gebuchten Transport im Rahmen einer anderweitigen Beförderung z.B. per Bahn durchzusetzen.
Auch ein Rücktransport zum Abflugort ist möglich, wenn etwa ein Anschlussflug durch das Verschulden der Airline gestrichen wird. Diese Beförderung geht auf Kosten der Airline. Während der Wartezeit auf die Ersatzbeförderung besteht ebenfalls ein Anspruch auf Versorgungs- und Betreuungsleistungen. Gleichzeitig haben Fluggäste in vielen Fällen gute Chancen darauf, eine Entschädigung um Rahmen von 250 Euro bis 600 Euro zu erhalten.
Fall 3: Was passiert, wenn ich trotz Buchung nicht befördert werde?
In der Luftfahrt ist es üblich, Maschinen zu überbuchen, um eine optimale Auslastung zu erreichen. In der Regel geht das auch gut, da beinahe nie alle gebuchten Plätze in Anspruch genommen werden. Durch die Überbuchung kann es aber auch dazu kommen, dass der Mitflug verweigert wird. Hierbei handelt es sich um eine sogenannte "entschädigungspflichtige Nichtbeförderung".
Werden Passagiere etwa aufgrund von einem eigenen Fehlverhalten nicht befördert, besteht in der Regel kein Anspruch auf eine Entschädigung. Das gilt beispielsweise für Passagiere ohne gültige Reisedokumente oder angetrunkene Fluggäste. Andernfalls stehen Passagieren bis zu 600 Euro an Entschädigungsleistungen zu.
Darüber hinaus muss die Airline den Ticketpreis erstatten, einen frühestmöglichen Rücktransport zum Abflugort organisieren oder eine alternative Beförderung zum Zielort anbieten. Betreuungsleistungen gehören während der Wartezeit auf einen Ersatzflug bzw. Ersatztransport ebenfalls zu den Fluggastrechten.
Achtung: Sonderfall "Downgrading"
Im Fall der Überbuchung gibt es einen Sonderfall zu berücksichtigen. Ist nicht das gesamte Flugzeug überbucht, sondern lediglich die gebuchte Beförderungsklasse, können Passagiere per "Downgrade" in eine niedrigere Beförderungsklasse umgebucht werden. Auch wenn es sich hier um ein "Verschulden" der Airline handelt, besteht kein Anspruch auf eine Entschädigung oder sonstige Ausgleichsleistung. Alle Leistungen der Airlines sind in diesem Zusammenhang freiwillig – allerdings häufig üblich.
Tipp: So handeln Sie am besten bei einer Pauschalreise
Die EU-Fluggastrechte können Reisende nicht nur bei einzeln gebuchten Flügen geltend machen. Die Ansprüche gelten natürlich auch bei Flügen, die im Rahmen einer Pauschalreise gebucht worden sind. Wer seine Ansprüche geltend machen möchte, hat es hier besonders einfach.
Der richtige Ansprechpartner ist der Reiseveranstalter bzw. bei einer Buchung über ein Reisebüro das Reisebüro selbst. Da das Problem hier gleich mehrere Passagiere eines Fluges betrifft, treten die entsprechenden Stellen direkt an die Airline heran und machen die Fluggastreche geltend. Alternativ können Flugreisende ihre Rechte gegenüber der Fluglinie auch selbst geltend machen.
Sonderfall "außergewöhnliche Umstände" – Das ist zu beachten
Fluggastrechte etwa bei einer Verspätung gelten nur dann, wenn die Airline selbst für das Flugproblem verantwortlich ist. Liegen sogenannte "außergewöhnliche Umstände" vor, muss die Fluggesellschaft nicht in die Bresche springen. Darüber, was unter die Umstände fällt und was nicht, gibt es immer wieder Streitigkeiten zwischen Flugpassagieren und Airlines – und noch mehr Gerichtsurteile.
Grundsätzlich kann etwa extrem schlechtes Wetter ein solcher Umstand sein. Logisch – immerhin haben die Airlines keinen Einfluss darauf. Aber auch hier gibt es Ausnahmen: Hat eine Fluggesellschaft in diesem Kontext einen Fehler begangen, wirkt trotzdem eine mögliche Entschädigung. Ist eine Maschine etwa nicht auf einen angekündigten Wintereinbruch vorbereitet oder ist kein Enteisungsmittel vorrätig, sind dennoch Leistungen fällig.
Weitere typische Streitfälle, sind Streiks von Piloten oder Fluglotsen sowie umfassende Erkrankungswellen, die zu Ausfällen und Verspätungen führen. Im Zweifelsfall sollten Flugreisende in solchen Fällen immer eine Entschädigungsleistung fordern. Letztlich muss die Fluggesellschaft vor Gericht beweisen, dass sie nicht für die Verspätung oder die Annullierung verantwortlich war.
Hilfe die Airline zahlt nicht: Was Sie jetzt tun können
Lehnt die Airline einen Anspruch ab, haben Fluggäste grundsätzlich zwei Möglichkeiten, um an ihr Recht zu kommen. An erster Stelle stehen die beiden Schlichtungsstellen SÖP (Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr) und BfJ (Schlichtungsstelle Luftverkehr beim Bundesamt für Justiz). Diese Variante ist für Passagiere zwar kostenfrei, kann aber langwierig sein.
Alternativ besteht die Möglichkeit, einen privaten Rechtsdienstleister mit ins Boot zu holen. Das macht vor allem dann Sinn, wenn die Entschädigungsleistung möglichst schnell gezahlt werden soll. Viele sogenannte "Sofortentschädiger" haben sich auf diesen Geschäftsbereich spezialisiert. Sie prüfen die Erfolgsaussichten und unterbreiten dem Fluggast ein Angebot zu dem sie die Forderung aufkaufen.
Abzüglich einer Provision versteht sich. Stimmt der Passagier zu, erhält dieser unmittelbar eine Entschädigungsleistung ausgezahlt, womit sich das Thema komplett erledigt hat. Der Dienstleister zum Beispiel AirHelp selber macht den Anspruch dann gegenüber der Airline geltend.
weiterführende Links:
→ https://www.rauch-versicherungen.de/reiseschutz/
→ https://anwalt-reiserecht.de/dienstleistung/hilfe-bei-flugverspatungen-und-annulierungen/
→ https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Verbraucherrechte/Schlichtungsstellen/Luftverkehr/Luftverkehr_node.html
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