Umweltschutz: Wann müssen wir uns von Benzin- und Diesel-Autos verabschieden?

Diesel-Skandal, Proteste auf der IAA 2019 und die anhaltende Diskussion um die SUV-"Kultur" in Deutschland – die Klimadebatte ist untrennbar mit der Automobilbranche verbunden und baut stetig weiter Druck auf die Mobilitätsstandards in Deutschland auf. Die Frage, die deshalb im Raum steht: Wie lange werden Autos mit Verbrennungsmotoren noch auf den Straßen unterwegs sein?

Umweltschutz: Wann müssen wir uns von Benzin- und Diesel-Autos verabschieden?

Dass ein vollständiger Abschied von Benzin- und Dieselmotoren kein utopischer Gedanke ist, hat einen ganz einfachen Grund: Durch den Beitritt zur Zero-Emission-Vehicle- bzw. ZEV-Allianz bei der UN-Klimakonferenz 2015 hat sich Deutschland dazu verpflichtet, seinen Teil zur Einhaltung der formulierten Ziele beizutragen. Konkret bedeutet das, dass bis spätestens 2050 keine emissionsverursachenden Fahrzeuge mehr auf den Straßen unterwegs sein dürfen. Überträgt man dieses Vorhaben auf alle Länder, so könnten bis zu 40 Prozent des weltweiten Schadstoffausstoßes und damit jährlich über eine Milliarde Tonnen CO2 eingespart werden.

Und auch wenn zunehmend daran gearbeitet wird, die deutsche Autobranche in eine "grünere" Richtung zu bewegen, so reichen die bisherigen Schritte keineswegs aus – zumindest wenn es nach Bündnis 90/Die Grünen und ihrem Bundestagsfraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter geht. Dieser hat im vergangenen Jahr ein Thesenpapier mit 11 Punkten vorgelegt, welche dabei helfen sollen, den vollständigen Umstieg auf die Elektromobilität voranzutreiben. Zu seinen Forderungen gehörte unter anderem, dass die Fuhrparks von Bund und Ländern ab 2025 vollständig elektrisch angetrieben sein sollen und die bisherige staatliche Kaufprämie für E-Autos durch ein Bonus-Malus-System ersetzt wird, welches vor allem Nachteile beim Kauf von besonders umweltschädlichen Fahrzeugen mit sich bringt.


Auf dem Bundesparteitag im November 2019 haben die Grünen nun zuletzt ihrer Forderung Nachdruck verliehen, das Neuzulassungs-Verbot für Benzin- und Dieselfahrzeuge auf 2030 vorzuziehen. Hilfreich bei diesem Vorhaben könnte vor allem der indirekte Druck aus dem europäischen Ausland sein. So haben beispielsweise die Niederlande, Schweden und Dänemark bereits das Jahr 2030 als Abschied von Verbrennungsmotoren festgesetzt. Während Norwegen sogar mit 2025 plant, hat Großbritannien zuletzt ein deutliches Zeichen gesetzt und das Ziel von 2040 (wie Frankreich) auf 2035 vorverlegt. Zusätzlich wurde hier das ambitionierte Vorhaben formuliert, bis 2050 gänzlich klimaneutral zu werden.

Verbot, Ziele und Bußgelder

Wie schwer es werden dürfte, die geplanten Ziele tatsächlich umzusetzen, wird dann deutlich, wenn man ein ähnliches Thema im kleineren Maßstab betrachtet. Ende Mai 2018 präsentierte sich Hamburg als Vorreiter in Sachen Klimaschutz und verhängte freiwillig Dieselfahrverbote in zwei Bereichen der Stadt. Wer fortan mit einem Diesel der Norm Euro 5 oder darunter auf der Max-Brauer-Allee (Pkw & Lkw) oder der Stresemannstraße (Lkw) erwischt wird, musst mit einem Bußgeld von bis zu 75 Euro rechnen. Das Problem: Innerhalb der ersten sechs Wochen nach Eröffnung der Umweltzonen wurden bereits mehr als 170 Fahrer angehalten, die nicht mehr in diesem Bereich hätten fahren dürfen. Die Statistik zwischen August und Dezember 2018 (1156 Kontrollen / 268 Verstöße) zeigte zudem auf, dass in diesem Zeitraum knapp jeder vierte Autofahrer gegen die neuen Verbote verstieß. Da sich die Länder aber gegen die automatisierte Kennzeichenüberwachung wehren und, wird die Durchsetzung der Verbote auch in Zukunft ein Problem darstellen. Um aktuell feststellen zu können, ob ein Fahrzeug zur Durchfahrt berechtigt ist, müssen bei einer Kontrolle die Fahrzeugpapiere überprüft werden. Hier wird die Abgasnorm unter Punkt 14 im ersten Teil der Zulassungsbescheinigung aufgeführt.

Eine mögliche Lösung für die schwere Überprüfbarkeit wäre die Weiterführung eines bekannten Konzeptes. In den vergangenen Jahren wurden zunehmend und wiederholt Stimmen laut, die eine "blaue Umweltplakette" fordern. Dadurch würde die bisherige Auswahl aus roter, gelber und grüner Plakette um eine zusätzliche Version ergänzt werden, welche lediglich Diesel-Fahrzeuge mit Abgasnorm Euro 6, Benziner mit Euro 3 sowie Elektrofahrzeuge erhalten könnten. Anders als bei den bisherigen Farben würde der Hauptfokus bei der Einführung jedoch nicht auf der bloßen Reduktion der Feinstaubbelastung liegen, sondern gezielt die Verringerung von Stickoxiden (NOx) zum Ziel haben. Da laut ADAC aktuell nur rund 500.000 Dieselfahrzeuge in Deutschland die Euro 6-Anforderungen, hätte die blaue Plakette zur Folge, dass über 13 Millionen Fahrzeuge nicht mehr in bestimmten Teilen von Deutschlands (Groß-)Städten unterwegs sein dürften. Neben Berlin, Hamburg, München und Köln wären unter anderem auch Fahrer in Freiburg, Essen, Mainz, Oberhausen und Kassel von den Folgen betroffen. Ähnlich wie bei den zuvor erwähnten Umweltzonen in Hamburg würde wohl aber auch die zukünftige Umsetzung so aussehen, dass sich die Fahrverbote nur über bestimmte Bereiche oder besonders stark belastete Straßen erstrecken sollen.

Dass die blaue Umweltplakette zunächst weiterhin nur Wunschdenken der Klimaschützer bleiben dürfte, hat mehrere Gründe. Zuletzt wurde das Vorhaben im Februar 2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht abgewiesen, da zum jetzigen Zeitpunkt keine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine Umsetzung vorliegt. Doch auch die praktische Umsetzbarkeit – insbesondere für private Fahrer – wird nach wie vor infrage gestellt. Zusätzlich zu den benötigten Ausnahmeregelungen und Übergangsmethoden steht hierbei besonders die Frage nach der Nachrüstbarkeit im Fokus.

Wann kamm die Umweltplakette?

Als 2008 die grüne Umweltplakette eingeführt wurde, reichte es bei den meisten Dieselfahrzeugen aus, einen Dieselpartikelfilter nachrüsten zu lassen, um die Auflagen zu erfüllen und weiterhin für alle Bereiche zugelassen zu sein. Bei einer möglichen blauen Plakette gestaltet sich dieser Vorgang deutlich schwieriger. Zwar wäre die Umrüstung mit speziellen Katalysatoren, weiteren Filtern und einer angepassten Motorsteuerung generell möglich, gleichzeitig wären die Kosten für den Großteil der Fahrzeugbesitzer nicht tragbar und würden nicht selten deutlich den Wert des Autos übersteigen. Ähnlich verhält es sich mit einem Neukauf, welcher besonders diejenigen hart treffen würde, die erst 2015 auf einen Diesel der Abgasnorm Euro 5 umgestiegen sind. Da diese Autos für diverse Zonen in deutschen Städten nicht mehr zugelassen wären, würde die blaue Plakette einen entsprechend hohen Wertverlust für die Besitzer mit sich bringen.

Um die blaue Plakette also zumindest in die Nähe einer tatsächlichen Umsetzbarkeit zu rücken, müsste die Bundesregierung entsprechend hohe Unterstützungszahlungen für all diejenige zusagen, die mit einer Nachrüstung oder einem Neukauf konfrontiert wären. Da für 2020 bereits die Prämien beim Kauf von Elektrofahrzeugen verlängert wurden, bleibt fraglich, ob diese doppelte Ausrichtung aus Sicht der Regierung tatsächlich Sinn ergeben würde. In nächster Zukunft werden wir uns zwar noch nicht von Benzin- und Diesel-Fahrzeugen verabschieden müssen, die ersten Weichen sind aber definitiv gestellt.

weiterführende Links:

https://www.autochecker.de/tipps-und-tricks/wo-und-wie-koennen-sie-ihre-umweltplakette-online-bestellen/
https://eco-enter.com/klimafreundlich-unterwegs/
https://staumelder-24.de/2022/11/11/dieselfahrverbot-in-muenchen/
https://www.meldebox.de/feinstaubplakette-faq/
https://kfzdealer.de/magazin/umweltzone
https://www.umweltbundesamt.de/themen/luft/luftschadstoffe/feinstaub/umweltzonen-in-deutschland#1-wie-ist-der-aktuelle-stand-der-umweltzonen

Quelle: Shutterstock